Füße ertragen viel

0
Gipsfuss-stebo
© stebo

„Mit dem falschen Fuß aufgestanden“, „Am falschen Fuß erwischt“ und viele Zitate und Aphorismen mehr erinnern uns an die Bedeutung unserer „Gehwerkzeuge“. Heinz Erhardt hat einmal gesagt: „Paradox ist, wenn sich einer im Handumdrehen den Fuß bricht“ – und da geb ich ihm Recht, dem Heinz. Und so hat mich dann das Schicksal ereilt. Beim Arbeiten die glibbrig-nassen Treppen hinuntergestürzt – und schon war der linke Knöchel auf die Größe zweier Erdäpfel angeschwollen. Kühlen, hochlagern, Kompression – nachher ist man immer schlauer, was man hätte sofort tun sollen. Aber das alles hätte nichts geholfen. Nach einem Röntgen im Spital steht fest: alle 3 Bänder im Außenknöchel sind gerissen. Ich erkenne auf dem Röntgenbild genau gar nichts. Aber ich bin ja auch kein Arzt. Und schon gar nicht habe ich täglich mit Fuß-Sprunggelenksverletzungen zu tun. Ein Gips für eine Woche. Eine Schiene für weitere 5-6 Wochen. Na so schlimm kann das ja alles nicht sein. Oder doch? So ein Gips mitten im Sommer ist nicht so angenehm. Aber die Wärme ist noch das geringste Übel – die Schwellung drückt auf den Gips, der Gips drückt auf die Schwellung. Die Aussage des Arztes: „Sie bekommen einen Gips und wenn sie den dann oben haben, dann sind die Schmerzen auch weg“, oder so. Wer braucht schon Schmerzmittel? Nach nur wenigen Tagen war ich wieder im Spital. Die Schwellung drückt so arg gegen den Gips, dass ich es vor Schmerzen kaum aushalte. Der Gips wird gelockert. Und ich bleibe meinem Schicksal überlassen. Für jemanden, der noch nie auf Krücken gegangen ist und von jetzt auf gleich sein ganzes Gewicht auf mehr oder minder zwei Händen tragen soll – sind das „Gehen“ aber auch alles andere eine Herausforderung. Man ist so abhängig wie nie zuvor und froh, wenn man es ein paar „Schritte“ von A nach B schafft. In dieser Zeit überlegt man sich sechs Mal, ob man wirklich aufs Klo muss, schliesslich soll man den Fuss ja schonen, kühlen, hochlagern. So eine aufgezwungene Schaffenspause mitten im Sommer mag ganz angenehm sein – ganz ehrlich: es hat einfach nur genervt. Zuerst Gips, dann Schiene, über Wochen, Tag und Nacht. Man muss wieder langsam und vorsichtig lernen, auf zwei Beinen zu gehen. Kein Sport, keine Outdoor-Veranstaltungen, keine Festivals, keine Konzerte, keine Massenaufläufe, keine offenen Schuhe, keine unebenen Böden und Stiegen – wie nicht-barrierefrei ist unsere Alltagswelt. Aber nach ein paar Kontrollen und 6 Wochen Gips&Schiene ist ja eh alles wieder gut, gell? Nein. Otto-Normal-Bürger nimmt nach 6 Wochen die Schiene ab und alles ist frisch, munter, schmerzfrei und wie neu geborgen. stebo hat auch wie geheissen ihre Schiene abgenommen. Aber leider war da nichts von schmerzfrei oder „wieder alles gut“. Manche nennen stebo einen Hypochonder. Ja, da ist was Wahres dran. Halsweh, Fieber, Husten – entweder hab ich Grippe oder es ist die Zylinderkopfdichtung. Aber in dem Fall ist stebo kein Hypochonder, glaubt sie zumindest. Der Fuss tut weh. Der Fuss ist noch nicht gut. Schonen, üben, belasten, kühlen, schonen. Das alles bringt nichts. Zu wem „gehen“? Man will ja nicht von Heinz zu Hintz zu Kuntz. stebo recherchiert. Persönlich. Im Internet. Orthopäde Nummer eins ist der Meinung, wir tragen einfach noch ein paar Wochen die Schiene und dann schauen wir weiter. Gesagt, getan. Besser? Fehlanzeige. Hypochonder-stebo steht wieder auf des Doktors Türmatte und verordnet sich selbst ein MRT. Denn, wie sie bis dahin gelernt hat: auf einem Röntgenbild kann man Bänder gar nicht so gut beurteilen. Die sieht man da gar nicht. Dazu wurde das MRT erfunden, allerdings ist das teurer und wird deshalb nicht einfach so hypochonder-grundlos gemacht. Einige Wochen warten, dann ist er da, der heissersehnte MRT-Termin. Mit dem MRT-Befund im Gepäck geht es noch einmal zu ebendiesem Facharzt für Orthopädie. Ein Band ist noch immer gerissen. Und ein großes Knochenmarködem habe ich auch. Wie groß? Sehr groß. In 3 Minuten wird mir bestätigt, was ich mir selbst aus dem Befund herausgekletzelt habe. Mehr nicht. Neuigkeiten? Natürlich gibt es etwas, dass ich tun kann, um die Heilung voranzutreiben: abwarten und auf eine Spontanheilung hoffen. Ich bin ernüchtert und unzufrieden. Ich mache mich auf die Suche nach einem anderen Facharzt für Orthopädie. Vorschläge gibt es einige. Die Meinungen über die genannten Personen liegen ebensoweit auseinander wie Erde und Mars. Meine Entscheidung fällt auf eine Orthopädie-Fachärztin. Termin vereinbart. Den Tag herbeigesehnt. Endlich dran gekommen. Sie nimmt sich Zeit, erfragt die Anamnese. Sieht sich Unfallbericht und MRT-Befund sowie die Bilder dazu an. Bittet mich auf die Untersuchungsliege, tastet meinen Fuß ab, fragt mich, wos denn genau weh tue. Die Schiene brauche ich nicht mehr zu tragen (schließlich trage ich sie nun eh schon an die 4 Monate mit Unterbrechungen und die Muskeln werden auch immer weniger) – dafür eine Achterschleife, die mir noch ein bisschen Halt gibt. Das Knochenmarködem ist groß – am MRT-Bild wird mir gezeigt, wo es liegt und wie es aussieht. Auch, dass es sich um eine sehr schwere Verletzung handelt, wird mir gesagt. Ein Jahr würde es zirka dauern, bis „alles wieder gut“ sei. Ich könnte nicht behaupten, dass mir die Ärztin wesentlich mehr Zeit gewidmet hätte. Aber sie hat mir gesagt, woran ich bin. Und mir nicht von vornherein das Gefühl gegeben, ich sei ein Hypochonder. Bald gehe ich wieder zum MRT. Dieses Mal ohne betteln und auf Vorschlag der Orthopädin. Wir wollen schauen, ob sich das Knochenmarködem verkleinert hat. Und sich mein Fuß wieder in Richtung Heilung bewegt. Das privat verordnete MRT bei einem Vertragsinstitut ist unerwarteterweise ganz anders. Freundlicher Empfang. Kein Warten. Pünktliches Drankommen. Und ich darf sogar am Rücken liegen – nicht wie beim ersten Mal ungemütlichst am Bäuchlein (das durch den gezwungenermaßenen Nicht-Sport den ganzen Sommer leider doch etwas kugelig geworden ist). Abnehmen – stebos nächstes größeres Projekt. Aber eins nach dem anderen. Der Befund landet direkt bei der Ärztin. Eine Kopie kann ich natürlich auch haben (sogar schon am selben Tag!). Der Laie interpretiert den Befund und fühlt sich besser. Das ist durchwegs positiv, was da drinnen steht. Einige Wochen später beim Orthopädin-Termin: Ja, wirklich, es schaut gut aus. Ödeme, Hämatome etc sind dabei sich zurückzubilden. Das eine noch immer gerissen gewesene Band ist am ‚vernarben‘. Ein zweischneidiges Juchu. Schmerzen habe ich noch immer. Rund 1 Jahr dauert die Heilung. Reden wir also im Mai 2017 weiter. Bis dahin gehe ich mir sicherlich knöchel-höhere Schuhe kaufen – besten Dank für den Hinweis an die Orthopädin. Und was ich sonst noch tun kann: Nicht noch einmal umknicken. Leichter gesagt als getan. Aber ich werde natürlich alles daran setzen. Weil das Ergebnis dieser Nicht-Putz-Sturz-Orgie hat sich wahrlich nicht ausgezahlt… Aber was lerne ich noch zusätzlich daraus: Ich hatte die Wahl, und habe in meine Gesundheit investiert. Orthopäde Nummer eins war ein Kassenarzt. Orthopädin Nummer zwei eine Wahlärztin. Es ist bedauerlich, dass man die Ausnahmen suchen muss und loben kann und, dass nicht jeder seinen Beruf nach bestem Wissen und Gewissen auszuüben scheint. Denn nicht alles, was Hand und Fuß hat, hat automatisch auch Herz und Hirn. Aber offensichtlich nur wo man zu Fuß war, ist man auch wirklich gewesen…

 

Kommentieren Sie den Artikel

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Bitte geben Sie hier Ihren Namen ein